Von Kirsten Becker – 23. Juli 2018
Anfang des Jahres habe ich einen langen Spaziergang durch Schwabing in München gemacht und bin dabei an einer kleinen Ladenlocation mit dem Namen “Bienewitz” vorbeigekommen. Ich dachte noch, oh, das sieht ja nett aus. Und wie der Zufall es manchmal so will, saß ich drei Monate später der Inhaberin, Isabel Schrimpf, gegenüber. Als Sparringspartnerin unterstütze ich sie nun bei der Positionierung und Weiterentwicklung ihrer wunderbaren Veranstaltungslocation. Isabel ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie hat sich vor über einem Jahr mit diesem Ort zum “Meeten und Mieten” selbstständig gemacht. Sie gibt vielen kleinen Unternehmen und Künstlern damit eine große Chance.
Schon an der Uni habe ich mich gefragt, warum wer was kauft. Diese Kombi aus Psychologie und Wirtschaftswissenschaften habe ich zu meinem Beruf gemacht, zuletzt als Associate Director bei einem der weltweit größten Marketingforschungs-Institute. So wichtig und interessant diese Fragen sind – letztlich habe ich dabei immer nur gemessen, was andere machen und nie selbst etwas „gemacht“. Das konnte es einfach nicht gewesen sein!
Der Idee von einem „Raum zum meeten und mieten“ kam als letztes. Zuallererst hatte ich den Namen. Dann den Laden. Dann die Idee.
Was schon länger schwelte, war das Bedürfnis, bei Positionierung, Logo, Branding, Website und Werbung nicht immer nur zu beraten – sondern mich auch mal selbst darin zu versuchen. Aber der Auslöser war ganz klar die einmalige Gelegenheit, dass der kleine Laden bei mir ums Eck frei wurde. Ich hatte mich schon lange vorher verliebt in seinen Gründerzeit-Flair und seine entzückenden Macken. Und als die Vormieter, die die Räume übrigens über ein Jahr lang vollkommen leer stehen ließen, schließlich gekündigt hatten, habe ich zugeschlagen. Jetzt oder nie – so eine Gelegenheit bietet sich einem ja nicht alle Tage. Und dann ging es ans Umbauen und Renovieren.
Ich wollte schlicht wieder Leben in den Laden bringen, er stand einfach zu lange Zeit leer. „Raum zum meeten und mieten“ heißt: Leute zusammenbringen, darunter auch Nachbarn, die sich vielleicht noch gar nicht kennen, gemeinsam Sachen machen, Neues ausprobieren und lernen. Auch: Sprungbrett sein für junge Künstler und Labels (drei davon haben nach ihrem Bienewitz-Pop up Store schon ihren eigenen Laden aufgemacht), und kleine Online-Shops zumindest kurz wieder zurück in die Stadt holen. Und nicht zuletzt: Solopreneuren und Selbstständigen flexibel charmanten, bezahlbaren und wandelbaren Raum für ihre Ideen geben. Kurz: Arbeit, Kunst und Vergnügen kommen hier zusammen – und im besten Fall wird alles eins.
Das Bienewitz ist nach seiner Adresse in der Apianstraße benannt – und umgekehrt. Hä??? Es ist so: Die Apianstraße trägt den Namen eines Herrn Philipp Apian, des ersten Kartographen Bayerns aus dem 16. Jahrhundert. Nur: der hieß gar nicht Apian, sondern Bienewitz. Bei seiner Beförderung in die Dienste des Herzogs hat er sich ein neues Branding verpasst – klar, auf Latein, dem damals gängigen Marketing-Sprech (Biene = apis).
Ein bisschen kannte ich die Selbstständigkeit schon, weil ich nach einem zweijährigen Aufenthalt in Singapur – mein Mann hatte dort beruflich zu tun – eine Weile lang freiberuflich tätig war. Damals war das allerdings nichts für mich. Ich musste mich zu dieser Zeit erst wieder in München einfinden, was mir deutlich schwerer fiel als erwartet. Damals war mir das zu einsam, so ganz ohne Kollegen. Deswegen ging ich dann auch erstmal wieder in eine Festanstellung. Und das war beim Schritt zum Bienewitz auch tatsächlich eine meiner größten Sorgen: allein am Schreibtisch zu sitzen und alles mit sich selbst ausmachen zu müssen.
Ich habe mich mit der Laden-Location ziemlich überstürzt selbstständig gemacht, ohne mich vorher über die diversen Möglichkeiten zur Unterstützung für Gründer zu informieren, die es ja durchaus gibt. Das habe ich schon bereut und das würde ich definitiv das nächste Mal anders machen. Man fängt ja buchstäblich bei null an: null Bekanntheit, null Kunden, null Umsatz, null Ahnung, ob das Ding fliegen wird. Schon ein bisschen zum Fürchten…
Hinwerfen nicht, dafür ist das Bienewitz noch zu jung. Aber gezweifelt habe ich etliche Male, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, meinen sicheren Job an den Nagel zu hängen. Es war die richtige Entscheidung!
Ganz wichtig sind Sparringspartner wie Du, mit denen man Konzept, Kommunikation, Zielgruppen und Angebote nochmal auf den Prüfstand stellen kann. Ich habe mich bald frei gemacht von all den Erfolgs-Stories und Mut-Macher-Geschichten, die ständig gepredigt werden. Geholfen hat, zu hören, dass die allermeisten anderen Gründer auch hart gekämpft haben und das manchmal auch nach Jahren noch tun. Dafür sind Netzwerke super.
Vor allem hat mein Mann mich ermutigt, indem er meine Idee unterstützte und mir den finanziellen Druck nahm. Zunächst sagte er mir „das dauert einfach zwei Jahre“. Als sich das erste Jahr dem Ende neigte, und mir davor graute, jetzt in einem Jahr den Durchbruch schaffen zu müssen, meinte er nur „Du weißt ja, das dauert einfach drei Jahre“. Jetzt sieht es so aus, als hätte es ein Jahr gedauert. Ganz ok, finde ich.
Schwer zu sagen, wir hatten so viele tolle Events. Angefangen mit der Eröffnungs-Ausstellung, über die die Süddeutsche Zeitung und der Bayerische Rundfunk berichtet haben, über Lesungen, Laden-Konzerte, Zauberer, “hens‘ nights” mit viel Sekt und einem wirklich gut aussehenden jungen Mann als Akt-Modell, einen Heirats-Antrag und zu guter Letzt einem Abend zur „Schönheit der letzten Dinge“ mit Sarg zum Probeliegen. Das neueste Highlight: unser Flirtshop (statt Workshop). Kleines Fresh up für alle, die beim Flirten ein bisschen aus der Übung sind.
Zweierlei wünsche ich mir: Fürs Geschäft, dass es mit den reinen Business-Kunden, also den schon etablierten Firmen weiter so gut läuft. Auch den „Großen“ wie Burda, Lufthansa, BSH, VW und anderen gefällt das Bienewitz offenbar als außergewöhnliche Location für ihre Off-Site-Workshops. Dafür bin ich sehr dankbar, denn sie sichern finanziell den Tortenboden für die Kirschen auf dem Kuchen.
Was mir im Bienewitz noch Spaß machen würde: Philosophie-Abende, Wein-Proben und Kurse in kreativem Schreiben. Kennt Ihr da jemanden?
2 Comments
Ingrid
März 23, 2019 @ 16:58
Ich sollte doch wieder öfter Deinen Blog lesen, denn Artikel wie dieser lassen mich wieder über meine Ideen nachdenken und eine Feierlokation zu kennen ist auch nicht schlecht. Wenn ich mehr vom Wein verstehen und damit vermitteln könnte würde ich glatt eine Weinprobe durchführen ?
Kirsten Becker
April 10, 2019 @ 12:51
Mein Blog lohnt sich immer und die Geschichten sollen zum Nachdenken anregen. Schön, wenn das gelungen ist. Neue Stories sind in der Mache. Man darf gespannt sein.