Von Kirsten Becker – 11. Mai 2016
Als Angestellte habe ich oft über das Thema Sabbatical nachgedacht und auch im Freundeskreis diskutiert. Keine Ahnung, ob das in meinem Unternehmen damals so einfach gewesen wäre. Ich habe es nicht ausprobiert, sondern bin gleich ganz gegangen.
Vielleicht hätte mich eine Auszeit auf eine ganz andere Entscheidung gebracht. Einfach mal den Kopf frei kriegen, anderes sehen und aus einer anderen Perspektive auf das eigene (Berufs-)Leben blicken. Und wenn dann noch die Möglichkeit gewesen wäre, die Erfahrungen in dem Unternehmen umzusetzen – ein Traum. Wenn das Wörtchen “wenn” nicht wäre… Aber so ist es nun mal nicht gewesen. Für alle diejenigen, die sich mit dem Thema Sabbatical beschäftigen, habe ich mit Elke Dieterich, Geschäftsführende Gesellschafterin von Manager für Menschen GmbH, gesprochen. Mit “Manager für Menschen” http://www.managerfuermenschen.com/ bietet sie Fach- und Führungskräften Social Sabbaticals an und hat damit gleichzeitig ihren Traum zum Beruf gemacht.
Was bietest Du mit „Manager für Menschen“ an?
„Manager für Menschen“ vermittelt seit 2011 erfolgreich Fach- und Führungskräfte als Berater auf Zeit in soziale Projekte. Wir geben engagierten und interessierten Menschen die Möglichkeit, ein Social Sabbatical sinnvoll in das aktive Berufsleben zu integrieren. Dabei beraten wir bei der Projektauswahl und übernehmen die Organisation mit dem Projektpartner im Zielland. Wir bereiten den Berater auf Zeit auf den jeweiligen Einsatz vor, begleiten ihn und sind auch danach wichtiger Ansprechpartner, wenn es um den Wiedereinstieg in das Berufsleben oder den privaten Alltag geht. Unser Ziel ist es, den gegenseitigen Wissenstransfer zu fördern, um so einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen.
Wie bist Du auf die Idee gekommen?
2009 wollte ich mich im Rahmen einer Auszeit selbst sozial engagieren. Ich musste aber feststellen, dass ich mit 35 Jahren für die gängigen Freiwilligenprogramme schlichtweg zu alt war und für den Senior Expert Service zu jung. Nach langem Suchen habe ich dann mein Projekt gefunden und ein Aids-Waisen-Projekt in Tanzania beraten. Während meines Einsatzes stellte ich fest, dass meine Lebens- und Berufserfahrung und mein Fachwissen im Projekt gefragt waren. Ich habe viele Menschen in meinem Alter oder älter getroffen, die gerne ein Sabbatical machen wollten. Aus meinem 3-monatigen Einsatz wurden 7 Monate und es entstand die Idee, Fach- und Führungskräften ein Social Sabbatical anzubieten. Gleichzeitig wollte ich kleinen und mittleren Projektorganisationen Fachwissen und einen flexiblen und kosteneffizienten Zugriff auf Experten zugänglich machen. 2011 gründete ich dann „Manager für Menschen“.
Mit welchen Schwierigkeiten hast Du zu kämpfen?
Als Startup ist es wichtig, bekannt zu werden und Referenzen zu haben. Wer möchte schon eine Dienstleistung eines unbekannten Unternehmens in Anspruch nehmen? Unser Bekanntheitsgrad steigt mittlerweile mit jedem Jahr in dem wir am Markt sind und mit jedem erfolgreichen Einsatz. Zu kämpfen haben wir leider immer noch mit 2 Faktoren: den Verkauf der Wertigkeit unserer Dienstleistung – viele potentielle Kunden glauben, dass Freiwilligenarbeit kostenlos ist und somit auch unsere Dienstleistung nichts kosten darf – und der Akzeptanz von Social Sabbaticals seitens der Unternehmen. Unsere Dienstleistung mag recht einfach aussehen, doch neben der offensichtlichen Vorbereitung spielen sich hinter den Kulissen eine ganze Reihe weiterer arbeits- und kostenintensiver Prozesse ab. Hierzu gehören: Suche nach Projektpartnern, Ausarbeitung der Aufgabenstellung, Organisation der Abholung und Unterkunft im Zielland etc.. Leider gibt es in Deutschland für Kurzzeiteinsätze und insbesondere für Freiwillige ab 30 Jahren keinen geregelten Freiwilligendienst. Das heißt auch keine öffentliche Hand, die die entstehenden Kosten übernimmt. Zur Deckung der Kosten unserer Dienstleistung müssen wir daher eine Vermittlungs- und Vorbereitungsgebühr berechnen. In Unternehmen ist das Verständnis für das Thema Social Sabbatical und damit einhergehend der Mehrwert für das Unternehmen noch nicht angekommen, so dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter leider nicht pro aktiv unterstützen. Hier gibt es noch viel für uns zu tun.
Wie findest Du die Projekte im Ausland?
Passende Projektpartner und Projekteinsätze zu finden ist das A und O. Wir müssen uns auf die jeweiligen Projektpartner verlassen können. Eine Zusammenarbeit ist auch nur dann möglich, wenn der Projektpartner uns schlüssig darlegen kann, dass das Projekt nachhaltig angelegt und ein Einsatz eines Beraters auf Zeit nötig ist, weil kein lokaler Mitarbeiter das Know-how hat. Schließlich wollen wir keine Arbeitsplätze wegnehmen oder neue Arbeitsplätze für einen Berater auf Zeit schaffen. Das bedeutet für uns zunächst Klinken putzen, Projektpartner prüfen und viel Organisation bevor wir einen neuen Projektpartner akkreditieren. Mittlerweile werden wir auch weiterempfohlen oder Projektorganisationen kommen direkt auf uns zu. In vielen Projekten war ich oder einer meiner Mitarbeiter selbst schon einmal vor Ort. Denn um einen nachhaltigen und sicheren Aufenthalt für den Berater auf Zeit zu gewährleisten, sind Location- und Projekt-Checks, insbesondere wenn wir mit nicht-deutschen Projektpartnern zusammenarbeiten, elementar wichtig.
Welche Voraussetzungen sollten die Manager mitbringen?
In der Tat eignet sich nicht jede Fach- und Führungskraft als Berater auf Zeit. So kann es durchaus sein, dass wir im Verlauf des Bewerbungsprozesses (jeder Bewerber muss Lebenslauf und ein Motivationsschreiben einreichen, sowie Vorstellungsgespräche durchlaufen) den ein oder anderen Bewerber nicht annehmen. Neben den unbedingt notwendigen Sprachkenntnissen und einer guten Gesundheit sind für mich die Antworten auf diese Fragen entscheidend:
Nur wer fähig ist, sich komplett auf die jeweiligen Gegebenheiten im Zielland einzustellen, seine eigenen Wünsche und Ziele zurückzunehmen und dem Projektpartner auf Augenhöhe zu begegnen, wird in einem Einsatz als Berater auf Zeit erfolgreich sein.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen?
Das Thema stellt sich leider noch immer als sehr schwierig dar. Wir haben viele Gespräche geführt, unsere Dienstleistung vorgestellt und den Mehrwert aufgezeigt. Alle Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, waren begeistert. Die proaktive Umsetzung lässt aber auf sich warten. Die Einführung von Sabbaticals steht in vielen Unternehmen nicht an erster Stelle, obwohl ein richtig genutztes Sabbatical mehr als nur eine Auszeit ist. Es kann Mitarbeiterbindung, Mitarbeiterentwicklung und vor allen Dingen auch ein wesentlicher Baustein des betrieblichen Gesundheits-managements sein.
Was bewirkt die Arbeit bei den Managern auf Zeit?
Neben der reinen Idee der Auszeit und des Abschaltens profitieren die Berater auf Zeit von einer Vielzahl weiterer Dinge: Sie lernen eine fremde Kultur kennen, eventuell eine neue Sprache. Sie bringen ihre Kompetenzen sinnvoll in einem Projekt ein, müssen dabei gleichzeitig lernen, kreativ zu sein und flexibel auf Anforderungen zu reagieren. Wer in einem sozialen Projekt als Berater auf Zeit agiert, der muss loslassen können, sich selbst zurücknehmen und sich voll und ganz auf die neue Kultur und deren Arbeitsweise einlassen. Im Gegenzug lernt man sich selbst besser kennen, kommt gestärkt und selbstbewusster zurück. Ein Einsatz als Berater auf Zeit fördert die soziale Kompetenz und der Verzicht auf Luxus bewirkt, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Weniger ist mehr! On top hat ein Sabbatical auch einen Mehrwert für das eigene Unternehmen. Es steigert Kompetenz, Gesundheit und Motivation der Arbeitnehmer. Mitarbeiter, die in ihrem Social Sabbatical-Wunsch von ihrem Unternehmen unterstützt werden, kommen als loyale Mitarbeiter zurück. Im besten Fall können sie nach ihrer Rückkehr sogar als interne Berater eingesetzt werden. Durch den Perspektivenwechsel und den Abstand haben sie einen anderen Blick auf die Dinge entwickelt und können interne Abläufe anders bewerten und einschätzen.
Was empfinden die Menschen vor Ort in den Projekten?
Freude, Dankbarkeit, Wertschätzung… und zwar auf beiden Seiten. Neben einer angemessenen Vorbereitung ist das Matching für uns eines der wichtigsten Erfolgskriterien. Wenn das Menschliche stimmt, dann wird auch die Zusammenarbeit erfolgreich. Unser Ziel ist immer, dass der Berater, wenn er geht, als Mensch fehlt, aber nicht als Arbeitskraft. Wenn wir das erreichen, haben wir gute Arbeit geleistet, denn das bedeutet schlichtweg, dass wir das Projektteam dazu befähigt haben, Dinge alleine umzusetzen. Wichtig ist, dass sich Berater auf Zeit und Projektteam auf Augenhöhe begegnen und das Projektteam nicht als Bittsteller gesehen wird. Denn nicht nur der Berater gibt Wissen, sondern auch er lernt vom Projektteam. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass der Berater auf Zeit aus seinem Einsatz meist mehr mitnimmt, als er offensichtlich gegeben hat.
Wie siehst Du das Thema Sabbatical in Deutschland? Gibt es Unterschiede zu anderen Ländern?
Deutschland ist leider im Vergleich zu anderen Ländern noch weit hinterher. Es gibt noch keine aussagekräftigen Studien zum Thema Social Sabbatical in Unternehmen. Wir arbeiten derzeit in Zusammenarbeit mit der Uni Münster an einer Studie hierzu. Mit den ersten Ergebnissen können wir aber frühestens im nächsten Jahr rechnen.
Welches Gefühl gibt Dir Dein Unternehmen und wie hat es Dich persönlich verändert?
Ich habe vor kurzem ein wunderbares Zitat im Internet gelesen: „Es gibt zwei großartige Tage im Leben eines Menschen: Den Tag, an dem er geboren wird und den Tag, an dem er entdeckt wofür.“ Das kann ich voll und ganz unterschreiben, denn durch „Manager für Menschen“ bin ich tatsächlich in meinem Leben angekommen. Ich vereinbare mit „Manager für Menschen“ meine Reiselust und mein soziales Engagement. Ich mache genau das, was ich gerne machen möchte. „Manager für Menschen“ und mein erster eigener Einsatz in Tanzania haben mich persönlich stark verändert. Ich bin raus aus einem sicheren Angestelltenverhältnis und rein in eine zunächst erst einmal unsichere Selbständigkeit. Heute kann ich behaupten, dass es sich für mich gelohnt hat. Was gibt es Schöneres, als das Feedback eines Beraters auf Zeit, der seinen Einsatz als erfolgreich für sich persönlich, aber auch für das Projekt bewertet? Auch bin ich selbst immer wieder im Einsatz. Das bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Es zeigt mir auf, welches Glück ich hatte und noch immer habe, eine Ausbildung genossen und meine Home Base in Deutschland zu haben. Mit Sicherheit lebe ich heute komplett anders als noch vor 2009. Ich komme mit weniger aus und definiere Erfolg für mich heute ganz anders. Erfolg ist für mich, wenn ich es schaffe einem Kind eine Schulausbildung zu ermöglichen, einer tanzanischen Frau Werkzeug in die Hand gebe, damit sie zukünftig selbstständig Dinge umsetzen kann. Wenn ein Berater auf Zeit aus seinem Einsatz zurückkommt und sagt „Der Einsatz als Berater auf Zeit war die beste Entscheidung und Zeit meines Lebens.“
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
Ich möchte gerne weiterhin Fach- und Führungskräfte in ihrem Social Sabbatical unterstützen und Projektorganisationen die Möglichkeit geben, einen flexiblen und kosteneffizienten Zugriff auf Fachwissen und Impulsgeber zu bekommen. Ich möchte Unternehmen davon überzeugen, dass das Social Sabbatical ihrer Mitarbeiter auch ein Mehrwert für das eigene Unternehmen ist und dass zukünftig Social Sabbaticals proaktiv im Unternehmen angeboten werden. Und ich möchte gerne ein eigenes Projekt in Tanzania aufbauen. Die Ideen dazu sind da, die Notwendigkeit auch, jetzt geht es an die Umsetzung.
Ach, übrigens, wo erwische ich Dich gerade?
Ich war gerade in Tanzania und bin bald wieder dort. Seit meinem ersten Einsatz 2009 habe ich mich in das Land, die Leute und die Kultur verliebt und komme seither immer wieder hierher und bin dann selbst in einem Projekt tätig.
Ein Wort zum Schluss:
Fragen kostet nichts, kann ich nur sagen. Vielleicht ist der eigene Chef oder die Chefin gar nicht so abgeneigt und erlaubt ein Social Sabbatical. Die Argumente sprechen dafür. Nur Mut! Wer hat schon Erfahrungen mit einem Sabbatical gemacht und kann berichten? Ich freue mich über Kommentare und Erfahrungsberichte!
4 Comments
Heike
Mai 21, 2016 @ 12:21
Toller und inspirierender Bericht !
simone
Mai 30, 2016 @ 10:13
Auch hier ein Interview, das Mut macht, seine Träume umzusetzen! Egal, welche Hindernisse kommen. Das hilft mir auf meinem weiteren Weg. Danke dafür und gerne weitere positive Beispiele über außergewöhnliche Menschen und deren Geschichte!!!
Eva
Juni 5, 2016 @ 19:21
Ein Bericht, der direkt in Kopf und Herz wirkt und einen nachdenken lässt, ob man es nicht auch einfach mal ausprobieren sollte…
Ingrid
Juni 13, 2016 @ 20:49
Die beiden letzten Beiträge “Traumreisen”und “Social Sabatical” fand ich sehr spannend, zumal diese genau in den beiden Monaten erschienen sind, als ich selbst eine kleine Auszeit genommen und mir währenddessen einen weiteren Reisetraum erfüllt habe.
Reiseträume habe ich mir in den letzten mehr als 20 Jahren schon einige erfüllt, auch wenn ich nicht Wochen/Monate am Stück unterwegs war. Das Schönste für mich ist, dass die Erinnerungen daran mir keiner nehmen und ich zudem meinem Hobby der Fotografie so nachkommen kann. Dazu kommt noch, dass ich alle Reisen entweder mit guten FreundInnen unternommen oder, wenn ich alleine (aber organisiert) unterwegs war, interessante und kommunikative Menschen kennengelernt habe. Zum Glück ist die Liste der Traumreisen noch nicht zu Ende ;-).
Neben der Verwirklichung des weiteren Reisetraums, konnte ich mir durch meine kurze Auszeit nach zig Berufsjahren auch einen anderen grossen Wunsch erfüllen:
Eine begrenzte Zeit einfach mal nichts zu Müssen:
Nicht Aufstehen, keine Termine einhalten, keine Verantwortung für meine Arbeit oder auch Mitarbeiter tragen, nichts Planen, mich nicht Festlegen müssen….
Diese Form der Auszeit war natürlich nicht wirklich sozial, außer für mich selbst ;-). Aber ich habe mir vorgenommen, dass dies nicht letzte während meines aktiven Berufslebens war und vielleicht fülle ich die nächste dann mit einem sozialen Projekt in einem meiner Traumreiseländer aus. Wer weiß?