Von Kirsten Becker – 10. Juni 2020
Es ist schon Juni. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich in diesem Jahr die Monate nicht so richtig mitkriege. Sie gehen einfach vorbei, ohne laut zu sein. Das hängt natürlich mit dieser besonderen Zeit zusammen. Der Shutdown hat Rückzug verordnet, für mich war das kein Problem. Ich war am Anfang verwirrt, weil jemand ein Stück über mein Leben bestimmen konnte. Dann war es leise. Die Straßen waren leer, keine Autos mehr, keine Flugzeuge am Himmel. Und während ich alleine meine Spaziergänge machte, kam es mir manchmal wie Magie vor. Von jetzt auf gleich war alles ruhig. Aber die Natur entwickelte sich weiter, blühte, die Vögel sangen, als wäre nichts geschehen. Ich nahm alles viel intensiver wahr. Nur wir wurden ausgebremst in unserem Alltag. Plötzlich war da der Gedanke, wer bin ich eigentlich, wenn ich keine Ablenkung habe? Jetzt wird alles wieder lockerer und ich wünsche mir, beides zu behalten – das Leise und das Laute, den Rückzug zu mir und den Kontakt nach draußen. Beides gehört zu mir. Und ich werde die Frage weiter versuchen für mich zu beantworten – wer bin ich wirklich?
Viele nennen die Zeit nun die Zeit der Veränderung. Doch wer sich schon immer mit dem Thema befasst hat, für den war und ist diese Zeit leicht zu ertragen, vorausgesetzt natürlich, man wurde nicht krank. Ich habe mir am Anfang viele online-Videos angesehen, war überrascht, wer alles etwas anbietet, erzählt, seine Meinung kundtut. Bis ich mich fragte: Sind alle so aktiv nur ich nicht? Es war so laut.
Je mehr ich das Laute las, umso mehr mochte ich es leiser zu sein. Auch mein Blog blieb still. Ich werde mir jetzt überlegen, wie es weitergeht. Ich will inspirieren und Freude bringen, Neues teilen. Einfach so. Ohne Zeigefinger, Ratschläge oder was sonst noch. Wir sind die wir sind. Jeder für sich. Jeder Tag kann magisch sein, wenn wir die Augen nur offen halten und uns auf die kleinen Dinge, die uns begegnen, achten – ob im Außen oder im Innen.
Ich möchte ein Gedicht mit Euch teilen, das die Tage zu mir kam und damit meinen Blogpost beenden:
Ja, es ist möglich,
das eigene Leben zu einem Kunstwerk
der Freude zu formen.
Ja, es ist möglich,
seine tiefsten Herzenswünsche
als Erfahrung zu erleben.
Ja, es ist möglich,
in jedem Augenblick des Lebens
eine Kehrtwende zu machen,
eine Wendung hin zu sich selbst
und zu dem Himmelsreich,
dem unendlichen Potential in uns.
Ja, das ist möglich.
(Rainer Maria Rilke)
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